Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit
Felix Platter-Spital, Basel/CH

Ohne BIM-Planung kein Auftrag: Als die Direktion des Felix Platter-Spitals in Basel einen Wettbewerb für den Neubau der Klinik auslobte, nahm sie die Teilnehmer in die Pflicht, ihre Entwürfe mit BIM zu planen. Für die Schweiz war es ein Pilotprojekt. Doch das Ergebnis der dabei erstmals erprobten Vorgehensweise stellt alle zufrieden, die Planer ebenso wie die Auftraggeber, auch wenn es hier und dort noch Optimierungsbedarf gibt. Zeit für eine Zwischenbilanz.

Jean Luc Perrin hat eine Botschaft zu verkünden: „Wie lange wollt ihr euch noch das Geld aus der Tasche ziehen lassen, um Planungsfehler auf der Baustelle zu beheben?“, fragt er die Klinikbetreiber, die einen Neu- oder Erweiterungsbau angestoßen haben bzw. anstoßen wollen. Und warnt sie damit, künftige Bauaufträge genauso zu vergeben wie bisher üblich. Um gleich darauf eine weitere Botschaft an die Planungsriege nachzusetzen: „Wie lange wollt ihr warten, bis ihr von den Anforderungen des Marktes überrollt werdet? Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“

BIM aus Sicht des Bauherrn

Jean Luc Perrin ist kein Philosoph. Er sitzt im Direktionsstab des Felix Platter-Spitals und hat seine eigenen Warnungen selbst sehr ernst genommen. Der von ihm betreute Neubau des Felix Platter-Spitals wird mit BIM geplant, um Auftraggeber und Planer vor jenen Risiken zu schützen, über die Perrin nun spricht. Daher hatten die Initiatoren des Neubaus schon an den Wettbewerb die Bedingung geknüpft, dass jeder Teilnehmer BIM von Anfang an einsetzt.

Das Ziel der Klinikbetreiber fasst Perrin in wenigen Sätzen zusammen: „Ich will mit einem virtuellen Gebäudemodell, welches Daten und Pläne als Bild beinhaltet, nach der Betriebsaufnahme mein Facility Management unterstützen können. Ich will mit diesem Modell bereits in den Konzeptions- und Wettbewerbsphasen valide Gegenüberstellungen machen können und Prozess- und Energiekosten sowie Simulationen auflisten, um Life-Cycle-Kosten ableiten zu können. Ich möchte auf Augenhöhe mit den weit überlegenen Fachspezialisten mitsprechen können. Ich will mich als Bauherr mündig machen. Und nicht zuletzt will ich eine saubere Bauwerksdokumentation haben.“

Vom Strich zur Attributierung zur Kostenreduzierung

wörner traxler richter, die verantwortlichen Architekten der Wettbewerbsgewinner, der „ARGE HandinHand“ Planungsgemeinschaft, nahmen diese Herausforderung gerne an. „Wir haben vorher schon in 3D gezeichnet“, erklärt Architekt und Büropartner Stefan Traxler. Insofern war dreidimensionale Planung kein Neuland für das Büro. Neu war lediglich die Attributierung der Planangaben im Zuge von BIM. „Jeder Strich hat einen Inhalt und ist mit bis zu 100 Attributen belegt“, sagt Traxler. Dazu mussten bzw. müssen die Anzahl und Zuweisung der Attribute, der sogenannte LOD (Level of Detail, Detail-lierungsgrad) zuerst mit den Bauherren für jede Planungsphase festgelegt werden, bevor sie in der BIM-Planung angelegt wurden. So lautet eine der Erkenntnisse, die der Architekt aus seinen Erfahrungen mit BIM gewonnen hat. Die Herausforderung dabei: „Bauherren und Planer müssen bei diesem Prozess lernen, die Anforderungen an die Attribute auf ein realistisches und zeitlich innerhalb des Planungsprozesses machbares Maß zurückzuführen − und neben den eigenen Mitarbeitern auch alle Fachplaner mitzunehmen.“

Die zweite Erkenntnis: „Im Grunde genommen müsste man die wesentlichen, die Nutzung der Räume betreffenden Parameter noch vor dem ersten Strich in das Raumprogramm einpflegen“, sinniert der Planer weiter. Denn dann lassen sich Raumattribute, wie die Notwendigkeit der Klimatisierung bestimmter Bereiche und damit der Bedarf an technischer Gebäudeausrichtung, rechtzeitig klären und letztlich Kosten sparen. „Eine frühzeitige Erarbeitung und Festlegung der Gebäudeparameter macht es möglich, genaue Werte zu ermitteln, die sonst geschätzt und mit Sicherheitszuschlägen und Redundanzen versehen werden müssen“, erzählt er und fährt fort: „Bei einem anderen Projekt hat diese Vorgehensweise dazu geführt, dass wir nur vier Trafos für den Betrieb jener Klinik benötigen. Bei konventioneller Planungsweise hätten wir sechs gebraucht. Indem wir die Bauherren also rechtzeitig in die Pflicht der Klärung und Bestimmung solcher technischen Details genommen haben, haben wir die Baukosten reduziert und eine bedarfsgerechte Technik einplanen können.“

Rechte, Pflichten und Kollisionen

Im Projekt Felix Platter-Spital macht sich die durch BIM notwendig gewordene Disziplinierung aller am Bau beteiligten Partner auch in anderen Punkten positiv bemerkbar. Zum Beispiel an der geringeren Zahl der Kollisionen zwischen und innerhalb des Planungsteams. Im vierzehntägigen Rhythmus laden Architekten und Kollegen ihre Daten in ein IFC-Modell ein und starten den sogenannten Solibri Model Checker. So kontrollieren sie, ob beispielsweise Rohre unterhalb der Planhöhen abgehängter Decken verlaufen oder statische Elemente wie Unterzüge mit Haustechniktrassen kollidieren. „Das klappt und hat die Prozesse sehr beschleunigt“, freut sich der Planer. Zumal man so zudem rechtzeitig erkennen könne, wenn einer der Planungsbeteiligten mit der Arbeit im Rückstand sei. Er schmunzelt: „Noch besser wird es, wenn die Teams die eigenen Zeichnungen vor dem Einladen in das Modell schon einmal selbst checken, um die eigenen Planunstimmigkeiten auszumerzen.“

In diesem Zusammenhang musste auch die Verteilung der Rechte und vor allem Pflichten im Zuge der Planungen intensiv besprochen werden. „Beispielsweise hatte der Tragwerksplaner zunächst keine Durchbrüche in das Modell eingepflegt. Jetzt arbeitet er die Rohbaudurchbrüche ein. Das erleichtert die Arbeit der anderen Planer und verringert die Zahl notwendiger Änderungen.“ Überhaupt sei das Thema Änderungsmanagement eine Herausforderung und ein großer Vorteil von BIM. Wer mit BIM plant, kann nicht einfach eine Wand verschieben oder deren Qualität verändern. Noch kritischer sind Raumverschiebungen oder Nutzungsänderungen. Der Aufwand ist immens, da an jedem Raum und jeder Wand Dutzende von Parametern hängen, die sich ebenfalls ändern würden. „BIM diszipliniert daher insbesondere Bauherren, die sich nicht so gerne festlegen“, betont der Architekt. Es spart Schleifen und diszipliniert auch die Planer selbst. „Denn es genügt nicht, nur einen BIM-Polizisten abzustellen“, so Traxler. Stattdessen müssten alle Mitarbeiter eines Büros mit dem Thema vertraut gemacht werden. „Diese zu schulen und geschulte Planer zu finden, ist eine der großen Herausforderungen von BIM.“

Life-Echtzeitmodell? Wohl eher nicht

Denn BIM verändert die komplette Art der Planung. Nur eines verändert sich nicht: der Entwurfsprozess. „Im Gegenteil“, freut sich Traxler, „BIM bietet die Chance, sich auf den Entwurf zu konzentrieren, weil die anderen Punkte, wie Absprachen mit dem Bauherrn, ja bereits geregelt sind.“ Ähnliches gilt für die Ausschreibungsphase. Hier erhoffen sich die Planer ebenfalls Vorteile, etwa dadurch, dass man im Zuge von BIM-Planungen gewerkespezifische Informationen oder Massen in die Texte übertragen kann. Daran sind insbesondere Generalunternehmer interessiert. Auch der Totalunternehmer, der mit dem Bau des Felix Platter-Spitals betraut ist, erhielt so die erforderlichen Massen. „Allerdings noch nicht in der Vollständigkeit, die man mit BIM erreichen kann“, weiß Traxler. Denn einiges, was mit BIM in Zukunft möglich sein wird, beispielsweise „BIM to cost“ inklusive einer automatisierten Verknüpfung mit der Ausschreibungssoftware, steckt noch in den Kinderschuhen. Anderes haben die Planer als Trugschluss erkannt: „Wer zum Beispiel glaubt, dass man mit BIM ein Life-Echtzeitmodell hat, in dem alle Planungsbeteiligten gemeinsam arbeiten und bei dem der Bauherr im Sekundentakt an der Veränderung teilhaben kann, möglichst noch mit einem Glatteis-Symbol bei Kollisionsgefahr, der irrt. Das ist noch unrealistisch.“

Trotzdem hat sich BIM für wörner traxler richter als optimaler und zukunftsweisender Planungsweg herausgestellt. Schon allein aufgrund der Tatsache, dass der Bauherr die Planungsergebnisse im Verlauf des Baufortschritts Schritt für Schritt absegnen muss. So  ist er stets informiert und gewährleistet im Umkehrschluss dem Planer die notwendige Planungssicherheit. „Wir sind mittlerweile von BIM so überzeugt, dass sich aus unserem Architekturbüro bereits ein kleines Unternehmen ausgegründet hat, die BIM-Welt. Wir lernen eine ganze Menge und wollen BIM möglichst auf alle Projekte übertragen“, zieht der Architekt daher eine positive Bilanz.

Und spricht damit ganz im Sinne des Bauherrn. „Heute würde ich bei einem Wettbewerb grundsätzlich auf die Abgabe von Plänen verzichten, denn im BIM-Modell habe ich alles, was ich brauche, auch wenn natürlich noch Optimierungsbedarf ist“, konstatiert Perrin. Daher bleibt er auch bei seiner Entscheidung pro BIM und rät Planern dringend nochmals, seinem Rat zu folgen: „Denn wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“
Christine Ryll, München

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